Das komplexe Regelwerk IFRS 17 zur Bilanzierung von Versicherungsverträgen wurde im Mai 2017 veröffentlicht und wird voraussichtlich am 1. Januar 2023 in Kraft treten. Es löst den seit 2005 geltenden Interimsstandard IFRS 4 ab. IFRS 17 ist für alle börsennotierten Versicherungsunternehmen verpflichtend anzuwenden. Es regelt die Grundsätze in Bezug auf den Ansatz, die Bewertung, den Ausweis sowie die Angaben für Versicherungsverträge innerhalb des Anwendungsbereichs des Standards. Unterdessen lässt es aber als prinzipienbasierter Standard viel Interpretationsspielraum und Inkonsistenz in den Annahmen und der Methodik für Unternehmen in Bezug auf Elemente wie Illiquiditätsprämie, Amortisation der Contractual Service Margin (CSM), Übergangsbehandlung, Risikoanpassungen, Anwendbarkeit des Premium Allocation Approach (PAA) und sonstiger Gesamteinkommensansatz (OCI). Versicherungsmathematiker werden bei der Vorbereitung von IFRS 17 eine zentrale Rolle spielen und sollten verpflichtet werden, eine definierte gesetzliche Rolle in (a) Erstellung und (b) Prüfung von Abschlüssen nach IFRS 17 haben.
Die Bewertung von Verbindlichkeiten nach IFRS 17 beinhaltet ähnliche Methoden und Annahmen, die bei der Berechnung der versicherungstechnischen Rückstellungen nach den Solvency II Vorschriften erforderlich sind. Trotz technischer Unterschiede werden sich viele Unternehmen bemühen, Grundsätze, Definitionen und Berechnungstechniken zu harmonisieren. Die bestehende Solvency II-Verordnung könnte ein guter Ausgangspunkt für eine gesetzliche Rolle der Aktuare sein, die an IFRS 17 arbeiten. Derzeit erfordert Solvency II die versicherungsmathematische Funktion zur Koordination und Kontrolle der Berechnung der technischen Rückstellungen zur Berechnung der Eigenkapitalanforderungen und zur Ermittlung der SCR, sowie weitere Aufgaben im Bereich Risikomanagement, Underwriting und Rückversicherung. Es wird erwartet, dass die Ergebnisse des Rechnungslegungs-prozesses nach IFRS 17 auf ähnlichen Annahmen basieren wie bei den Solvency-II-Berechnungen basieren.
In der Praxis ist es üblich, dass Wirtschaftsprüfer bei der Prüfung von Versicherungen versicherungsmathematische Experten einsetzen, um Verbindlichkeiten von Versicherungsunternehmen zu prüfen. ISA 540 und ISA 620 setzen angemessene Standards für die Prüfung von Bewertungen auf Basis von Professional Judgement. Die Prüfung von Versicherungsverbindlichkeiten ist ein wesentlicher Bestandteil der Prüfung von Versicherungsunternehmen. Die Zusammenarbeit zwischen Wirtschaftsprüfern und Aktuaren soll damit eine entscheidende Rolle in Bezug auf die Prüfung von Versicherungsunternehmen auch nach IFRS 17 haben.